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portrait

Rauschgiftschmuggel in Marokko – Inhaftierung unter grausamen Bedingungen – Rückkehr in die Schweiz – unter Drogenkollegen als Held gefeiert. Jahre später aktiv in christlichen Kreisen in und um Bern – und dann kam der Rückfall.

  Jürg  

 

Wo ist jemand der fällt,
der nicht gerne wieder aufstünde? Wo ist jemand wenn er irre geht, der nicht gerne wieder zurecht käme?

Jeremia 8,4

   
 

5 Jahre drogensüchtig
seit 1985 drogenfrei
2 Rückfälle

 
kopf

Jürg: Der Vorzeigejunge wird rückfällig

Harter Typ mit weichem Kern

Mein Leben begann als Unfall. Ich war nicht geplant und meine Eltern waren nicht gerade glücklich, dass sie wegen mir heiraten mussten. Die Konsequenzen einer solchen Beziehung trafen mich im Alter von sechs Jahren: Meine Eltern liessen sich scheiden und ich wurde krank und rebellisch. Verschiedene Kurhaus- und Heimaufenthalte bestimmten fortan mein Leben. Erst als ich 16 Monate später zu meiner Grossmutter ziehen durfte, weil kein Heim mehr die Verantwortung für mich übernehmen wollte, erlebte ich wieder Geborgenheit. 7 Jahre später starb meine Grossmutter und ich zog zu meinem Vater. Sein liberaler Erziehungsstil war nicht gerade das, was mir Orientierung und Halt gegeben hätte. Ich brach meine Lehre als Kellner ab und schloss mich der damaligen Hippiebewegung an. Sun, fun and make love wurde zu meiner Lebensphilosophie. Durch Drogenschmuggel und Handel finanzierte ich meinen Lebensunterhalt. Mit 17 erwischte mich die Polizei bei einem
2-kg-Deal in Marokko.

Verurteilt zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren durchlitt ich Ereignisse, die mein junges Leben traumatisierten. Drei Monate später wurde ich zu meinem Glück gegen Kaution freigelassen. Wieder zu Hause wurde ich als der harte Typ gefeiert. All meine Ängste und die Tränen, die ich hinter Gitter vergossen hatte, blieben mein Geheimnis. Obwohl ich genug Geld verdiente und in der damaligen Juppie Szene als Disc Jockey einen Namen hatte, nahm mein Leben gefährliche Dimensionen an. Ich experimentierte mit allen Drogen, die im Handel angeboten wurden. Mein exzessiver Konsum war nicht mehr zu finanzieren. Ich wurde kriminell, auf frischer Tat erwischt und kam erneut in Untersuchungshaft. Trotz einer massiven Anklageschrift wurde ich zu meinem Erstaunen, statt zu den vom Staatsanwalt geforderten 3 Jahren Haft, zu einer ambulanten Massnahme verurteilt.

Beschämt über das Doppelleben

Da stand ich nun mit einem Koffer in der Hand vor dem Gefängnis. Ich fühlte mich wie ein Hoffnungsloser, der innerlich nach Erlösung schrie und sich nicht selber helfen konnte. Eine Tante von mir sorgte dafür, dass ich in einer christlichen Wohngemeinschaft aufgenommen wurde. Das selbstlose Engagement dieser Christen be-rührte mein Herz und überzeugte mich von ihrem Glauben. Nach einiger Zeit entschied ich mich, mein Leben Jesus Christus anzuvertrauen und nach seinem Willen zu leben. Doch ich schaffte es nicht, ich wurde rückfällig und führte ein Doppelleben, konsumierte Drogen und war in vielen Punkten unverbindlich. Eines Tages flog das Versteckspiel auf und ich war zutiefst beschämt, dass ich meine Freunde derart hintergangen hatte.

Wieder bei den Obdachlosen

1985 entschied ich mich, eine christliche Therapie zu machen. In dieser Zeit formte Gott einen neuen Menschen aus mir. Anschliessend arbeitete ich bei einer grossen Zeitung, wo ich einen tollen Job mit guten Aufstiegs-chancen hatte. Doch im November 1989 entdeckte ich ein Stelleninserat, das mein Herz berührte. Gesucht wurde ein Betreuer für Obdachlose. Ich spürte, dass dies mein Weg ist. So liess ich den chancenreichen Job fahren und nahm die Stelle in einem Passantenheim der Heilsarmee Bern an. Auch in meinem Privatleben war viel los. Ich war aktiv in einer Kirchgemeinde, leitete eine Gruppe von ehemaligen Drogensüchtigen, machte Einsätze auf dem Platzspitz in Zürich, dem damaligen Drogenzentrum Europas und besuchte Konfirmanden- und Schulklassen. Ich war plötzlich ein gefragter Mann in den christlichen Kreisen. In dieser Zeit lernte ich auch meine Frau kennen.

Schritte zum Rückfall

Mein überaktiver Lebensstil löste schon bald die ersten Spannungen in unserer jungen Ehe aus. Als ich dann noch die Ausbildung zum Sozialtherapeuten begann, war ein Burnout vorgezeichnet. Gegen Schlafstörungen und Anspannung halfen nur noch Medikamente, von denen ich schliesslich abhängig wurde. Schamgefühl und die Angst vor Ablehnung hinderten mich daran, mit jemandem über meine Probleme zu reden. Ich verstrickte mich immer mehr in Lügen, war nicht mehr transparent und spielte eine Rolle im falschen Film. Der Riss in mir wurde immer tiefer, der Druck immer grösser, bis ich diesen Zustand nicht mehr aushielt. Ich wurde rückfällig und konsumierte 10 Tage lang Heroin. Meine Frau durchschaute mich und half mir, mich zu outen und die nötigen Schritte zu unternehmen. Trotz anfänglich starkem Widerstand war ich nun bereit, die Konsequenzen für mein Verhalten zu (er)tragen. Ich kündigte meine Arbeitsstelle und gab sämtliche Verantwortungsbereiche auf. In einer Kurztherapie auf einem Bauernhof hatte ich Zeit, meine Situation zu reflektieren. Ständig war ich – meistens unbewusst – auf der Suche nach Anerkennung, um meinen Selbstwert aufzubauen. Die Erklärung dafür lag in meiner Vergangenheit: Ein in Ablehnung Geborener, dessen Urvertrauen derart verletzt ist, kämpft dauernd um Anerkennung, um sein schwaches Selbstwertgefühl aufzubauen. Gott kennt jede Not. Durch den Rückfall zeigte er mir, wie es in mir ausschaute. Der Bibelvers: "Ich habe dich aus Liebe zu mir gedemütigt..." hat mein Herz ganz persönlich und tief berührt. Sein Plan mit mir geht weiter!

Auf der Hut sein

Heute arbeite ich wieder als Sozialtherapeut in einem Passantenheim der Heilsarmee. In meinem Dienst als Betreuer begegne ich täglich Menschen, die irgendwie rückfällig geworden sind und darunter leiden. Es sind Menschen, denen ich aus meiner Erfahrung erzählen und ihnen Hoffnung und Orientierung vermitteln kann. Rückfall ist und bleibt ein Thema. Nicht nur spezifisch suchtmittelbezogen; Rückfall heisst für mich, auf der Hut zu sein vor dem Zurückfallen in alte, destruktive Verhaltensmuster! Meine Frau und ich arbeiten als Team an diesem Prozess und auch Gott ist in dieser Teamarbeit mit uns. In einem Bibelvers heisst es: “Denn ein Team hat es leichter und ein Seil aus drei Schnüren reisst nicht so schnell.”

Rückfall? Was dann?

Veränderungen die wir uns an uns selber wünschen, erreichen wir nicht immer mit Leichtigkeit. Selbst die besten Vorsätze sind nicht einfach umzusetzen. Deshalb ist es ratsam, Versagen mit einzuplanen. Zu versagen bedeutet ja nicht, dass alles bisher Erreichte nichts mehr wert ist und wir wieder bei Null anfangen müssen. Destruktive Gedanken wie "Es hat doch alles keinen Sinn" oder "Ich schaffe es halt doch nicht" sind zerstörerisch und Lügen, die wir nicht glauben dürfen. Unser Versagen ist ein Zeichen dafür, dass wir Gottes Erbarmen nötig haben. Von Gott sind wir übrigens nicht geliebt, weil wir so perfekt sind und unsere Vorsätze so toll umsetzen können. Wir sind von ihm geliebt, ohne es verdient zu haben und unabhängig davon, wie erfolgreich wir uns verändern. Das ist die Gnade Gottes an uns. Unser Scheitern soll uns daran erinnern, dass Jesus Christus über unsere schlechten Gewohnheiten, Süchte und Ängste längst gesiegt hat am Kreuz auf Golgatha. Weil er sich stellvertretend für uns opferte und uns immer wieder vergibt, dürfen wir, nachdem wir gestolpert sind, wieder aufstehen und weitergehen, im Bewusstsein, dass wir auf seine Hilfe angewiesen sind und unserer eigenen Kraft nicht vertrauen können.

Unser Versagen hindert Gott nicht, uns zu verändern!

 

© 2000 by VCRD-Arbeitsgruppe "voll high - jetzt frei"
Webumsetzung 2001 by Livenet.ch & Jesus.ch