Daniel: Frei zum Leben
Vater ist tot! Diese Schreckensnachricht traf mich,
als ich 10-jährig war. Vater, der mit mir und meinem Bruder
so viel gespielt hatte, der uns aber auch wie ein Freund ermahnte,
wenn wir Mist bauten! Er starb an einem Gehirntumor.
Trotz dem Schmerz kamen mein Bruder Andreas und
ich relativ rasch über den Tod unseres Vaters hinweg. Meiner
Mutter machte es mehr zu schaffen, weshalb sie uns dann auch oft
Geld gab, damit wir uns beschäftigen konnten. Es war ein gutes
Gefühl, Geld zu haben und erst noch tun und lassen zu können,
was wir wollten. Heute glaube ich, dass Einiges nicht passiert wäre,
wenn wir weiterhin einen starken, Grenzen setzenden Vater gehabt
hätten. Bei Mutter mussten wir auf nichts verzichten und wenn
sie mal nicht so wollte wie wir, weinten wir, bis sie nachgab.
Mit 15 war alles Scheisse
Als ich 12 Jahre alt war, zogen wir zu Mutters neuem
Freund nach Wil. Dort lernten wir neue Kollegen kennen. Mein Bruder
und ich hatten einen Hobbyraum, in dem wir uns mit unseren Freunden
trafen. Obwohl ich eigentlich gegen Drogen war, probierte ich auch,
als diese eines Tages Haschisch mitbrachten. Da ich meine Freunde
gut mochte und mir der Joint angenehm einfuhr, konnte daran ja wohl
nichts Schlechtes sein. Kiffen gehörte bald zu meinem Lebensstil.
Arbeit, reiche Leute und überhaupt die ganze Welt war «Scheisse».
Was einzig zählte, waren meine Freunde.
Meine Persönlichkeit hatte sich schon ziemlich
verändert, doch ich fand, mit mir sei alles in Ordnung. Mit
17 nahm ich zusammen mit einem Arbeitskollegen eine Wohnung in Winterthur.
Wir kifften zeitweise für 70 Franken pro Tag.
Hämpe verfluchte Gott
Mein Freund Hämpe fluchte während der
Tagesschau oft über Gott, der so viel Leid zuliess. Ich weiss
nicht warum, doch ich nahm Gott unbewusst stets in Schutz und versuchte
Hämpe zu erklären, dass das schon alles einen Sinn habe.
Innerlich war ich selbst leer und voller Fragen. Schliesslich fand
ich auf meiner Suche LSD, Heroin und Kokain.
Leider muss ich sagen, dass all diese Drogen mir
ein gutes, ja ein sehr gutes Gefühl gaben. Meine Angst vor
Drogen überspielte ich. Ich dachte, auch wenn ich süchtig
werde, kann ich immer noch aufhören. Schliesslich haben es
ja andere auch geschafft. Das Gefährliche an Drogen ist nicht
nur die Abhängigkeit, sondern, dass sich die ganze Persönlichkeit
verändert. Man fühlt sich mit der Zeit nur noch von anderen
Drogenabhängigen verstanden. Man ist der Meinung, dass Leute,
die keine Drogen nehmen, eh keine Ahnung vom Leben haben. Alles,
was als normal gilt, ist schlecht.
Die Suche nach dem Sinn
Die Drogenfreunde erwiesen sich mit der Zeit als
nicht verlässlich. Die Zufriedenheit erwies sich als Lügenbild.
Ich merkte, wie mich die Wirklichkeit einholte und mein Drogenleben
ein reines Schauspiel war. An der Arbeits-stelle bekam ich Probleme,
und schliesslich verlor ich eine Stelle nach der anderen.
Ich gestand mir ein, dass ich süchtig war und
das Rauskommen keineswegs so einfach war, wie ich mir das vorgestellt
hatte. Wenn ich auf der Gasse sagte: "Ich steige aus!",
hiess es prompt: "Das hab' ich auch schon hundert Mal versucht,
das schafft man nicht!" Ich begegnete natürlich nur Leuten,
die es nicht geschafft hatten, und wusste nicht, wie viele rausgekommen
sind.
Mit ca. 20 Jahren machte ich meinen ersten Entzug. Am dritten Tag
waren meine Schmerzen so krass, dass ich davonlief. In den folgenden
drei Jahren arbeitete ich nicht mehr. Ich überlebte mit Sozialhilfe,
geklautem Geld von Mutter und Schwester und Geld von meinem ebenfalls
süchtigen Bruder, der es zusammenbettelte.
Der Richter entschied Massnahme
Mehrmals versuchte ich, einen Entzug durchzuziehen.
In der Entzugsstation gefiel es mir immer sehr gut, doch ich hielt
nicht durch. Die Drogen waren stärker. Nur zwei oder drei Mal
beging ich eine richtig kriminelle Handlung, die mich nachher sehr
belastete. Der Richter entschied eine stationäre Massnahme,
Therapie oder Knast. Also trat ich in eine psychiatrische Klinik
zu einem methadonbegleiteten Entzug ein, was dann endlich auch klappte.
Nach dem Klinikaufenthalt suchte ich eine Therapiestation. Schliesslich
landete ich in einer christlich-therapeutischen Wohngemeinschaft
in der Nähe von Winterthur.
Durch Therapie leben lernen
Dort lernte ich dann Dinge, die ich zu Hause nie
gelernt habe. Das soll kein Vorwurf an meine Mutter sein, denn so
viel Liebe und Vergebung, wie ich von ihr bekam, bekommen nur wenige.
Nachdem ich als Teenie zu Hause machen durfte, was ich wollte, lernte
ich in der Therapie, mich auch mal unterzuordnen und Autoritätspersonen
zu respektieren. Ich lernte wieder arbeiten und viele andere Dinge,
die man heute zu Hause oft nicht mehr lernt. In der Therapie lernte
ich auch, dass jeder Mensch wertvoll ist, und zwar mit seinen Stärken
und Schwächen. Ich fühlte mich angenommen, geliebt und
nicht nur geduldet. Ich glaube, ohne Therapie hätte mein Leben
im sicheren Tod geendet.
Das Wichtigste, was ich lernte: Ich muss nicht stark
sein, ich darf auch mal schwach sein, darf Hilfe von anderen und
vor allem von Jesus in Anspruch nehmen.
Auch mein Freund Hämpe ist durch eine Therapie
von Drogen losgekommen. Er konsumierte zwar nur Hasch, was ihn aber
auch in tiefe Depressionen führte.
... und heute
Ich bin jetzt fünf Jahre sauber, habe meine
Lehre als Schreiner erfolgreich abgeschlossen und das Schönste:
Ich bin seit kurzem verheiratet. Viele meiner Freunde, die eine
Therapie gemacht haben, sind trotzdem wieder abgestürzt. Ich
weiss, dass auch ich es erst geschafft habe, wenn ich nicht mehr
auf dieser Welt bin. Jeder Tag an dem ich ohne Drogen lebe, ist
für mich ein Geschenk von Gott. Es gibt keine Garantie, aber
ich merke, wenn ich mich von Jesus entferne und meinen eigenen Weg
gehe, komme ich viel stärker in Gefahr. Das Wichtigste ist
für mich, dass ich dankbar bleibe und nicht stolz werde. Nicht
ich habe es im Griff, Gott aber sehr wohl.
Denen, die noch süchtig sind, möchte ich
Mut machen: Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle
und kein "Zu Spät". Aber es braucht eine Entscheidung
sich auf diesen Weg zu machen. Es lohnt sich!
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